Übersetzung und Anpassung
Das Original auf Italienisch wurde von Maren Paetzold ins Deutsche übertragen - professionelle Übersetzerin für Italienisch-Deutsch mit Schwerpunkt Architektur.
Das Original auf Italienisch wurde von Maren Paetzold ins Deutsche übertragen - professionelle Übersetzerin für Italienisch-Deutsch mit Schwerpunkt Architektur.
Jetzt bleibt uns nur noch, auf den letzten Kriminalroman mit Commissario Montalbano zu warten. Camilleri ist von uns gegangen, und mit ihm geht auch der Kommissar – mit der letzten Erzählung der berühmten Krimireihe, deren Manuskript seit Jahren beim italienischen Verlag Sellerio hinterlegt ist. Die Krimis werden uns fehlen. Fehlen wird uns auch diese wunderbare, erfundene Sprache, die unnachahmlich bleiben wird.
Seit der ersten italienischen Ausgabe 1994 habe ich kein Kapitel des berühmtesten Kommissariats Italiens verpasst, und mit mir eine große Leserschaft in ganz Italien – Andrea Camilleri gelang das Kunststück, den Gang in die Buchhandlung wiederzubeleben. Seitdem schauen die Italiener und Italienerinnen mit anderen Augen auf ihren südlichsten Landesteil: Camilleris Sprache schuf eine Verbindung zum sonst so weit entfernt liegenden Sizilien.
Wenn ich einen Roman des meisterhaften Autors lese, überlege ich als Übersetzungsprofi jedes Mal, wie es wohl den Kolleginnen und Kollegen ergangen ist, die vor der Aufgabe standen, diese Texte in ihre Muttersprache zu übertragen. Ich komme jedes Mal zum gleichen Schluss: eine wirklich große Herausforderung. Es ist sehr schwierig, die Sprache Camilleris zu übersetzen, zwischen den tausend möglichen Varianten zu wählen und eine Balance zu finden zwischen dem Risiko, zu sehr zu vereinfachen, und dem Anspruch, nichts vom Original wegzulassen.
Die Montalbano-Krimis sind in einem Italienisch verfasst, das nicht immer der Standardsprache folgt, wie man sie in Italien in der Schule lernt. Einem regionalen Dialekt entspricht es jedoch auch
nicht.
Der Autor selbst beschreibt seine Arbeit an der Sprache folgendermaßen: „Ausgangspunkt ist für mich immer eine solide Struktur auf Italienisch. Die dialektale Färbung kommt später. Dabei handelt es
sich jedoch nicht um ein einfaches Einschieben mundartlicher Wörter in Sätze, die in standardsprachlichem Italienisch strukturiert sind. Vielmehr geht es darum, einer Tonlage zu folgen und eine Art
Partitur zu komponieren, die nicht auf Noten, sondern auf dem Klang der Wörter basiert“1. Es gilt, eine Sprache zu kreieren, die der „Darstellung“ und der „Inszenierung“ der Ereignisse
dient.
Camilleri führt seine Entdeckung, welche Bedeutung der Dialekt hat, auf seine Kindheit zurück: auf das sizilianische Marionettentheater, das in der Nachbarschaft aufgeführt wurde, und die
Dichtungen des palermitanischen Abtes Giovanni Meli (1740–1815), die ihm seine Großmutter hersagte, als er klein war2.
Wie er zu der Verwendung von Dialekt in seinen Romanen kam, beschreibt er so: „In meiner Familie wurde sowohl Dialekt als auch Hochitalienisch gesprochen. Als ich kleine Geschichten erzählte, merkte
ich, dass ich einen besseren Effekt erzielte, wenn ich eine gemischte Sprache verwendete. Ich begann mich zu fragen, warum mir das Italienische nicht ausreichte und untersuchte, wie
Pirandello seine Figuren sprechen ließ. Später packte mich seine Feststellung ‘mit Sprache lässt sich der Begriff, mit dem Dialekt das Gefühl einer Sache
ausdrücken’: Das wurde zur Grundlage meines Schreibens.”3
Die in den Originaltexten enthaltenen Sprachvarianten muss der Übersetzer natürlich berücksichtigen, um den Text nicht zu verflachen. Es ist entscheidend, dass auch die Übersetzung so weit wie möglich eine „Vielsprachigkeit“ aufweist. In den Montalbano-Krimis verwendet der Autor mindestens fünf verschiedene Sprachvarianten – jede mit einer ganz präzisen Aufgabe 4:
Um den roten Faden der Geschichte nicht zu verlieren, muss ein italienischer Leser – und erst recht, wer diese Texte übersetzt – kontinuierlich die kleineren und größeren Rätsel dieser wundersamen Sprechweise lösen. Camilleri nutzt jedoch verschiedene Kniffe – am häufigsten eine Erläuterung –, um seinen Lesern die Bedeutung der dialektalen Wörter, die sonst unverständlich blieben, aufzuzeigen und ihnen so geduldig zur Seite zu stehen wie ein moderner Dr. Watson.
In den Kriminalgeschichten mit Commissario Montalbano setzt Camilleri diese Mischung aus verschiedenen Ausdrucksweisen ein, um den Orten der Handlung eine kinematografische und chronologische Identifikation zu verleihen – reale Orte, die nur in der Vorstellung existieren. Damit betont er auch die Handlungen und Szenen, die mal einen formellen, mal einen informellen, einen bürokratischen oder privaten Rahmen haben. Durch ihre Sprache werden die Figuren porträtiert. Nur Montalbano kann auf allen Sprachebenen kommunizieren, und Camilleri bedient sich dessen, um der Leserschaft das zu zeigen, was er selbst mit einer Wortschöpfung bezeichnet: die tragedialità der Sizilianer – ihren Hang zum „großen Theater“, ihre Fähigkeit, immer wieder neue Masken zu ersinnen und aufzusetzen.
All diese Aspekte in eine fremde Kultur und Sprache zu übertragen, die sich gänzlich von der sizilianischen und auch der italienischen unterscheidet, dabei die Sprachvarianten zu erhalten und dem Leser den Charakter des Originaltextes zu vermitteln, ist eine komplexe und faszinierende Arbeit. Die des professionellen Übersetzens.
Ein Text, der für eine Veröffentlichung übersetzt werden soll, erfordert erfahrene, muttersprachliche ÜbersetzerInnen, die sowohl die Thematik als auch die Bedeutungstiefen angemessen übertragen können. Sie sind gut beraten, sich einer qualifizierten und auf den Fachbereich spezialisierten Übersetzerin anzuvertrauen.
Quellen
1 Andrea Camilleri e Tullio De Mauro, La lingua batte dove il dente duole, Laterza, Bari-Roma 2013, S. 76-77
2 Artikel auf der Website von „La Repubblica“ https://ricerca.repubblica.it/repubblica/archivio/repubblica/2013/11/21/camilleri-de-mauro-dialogo-sul-dialetto.html
3 Zitat von Andrea Camilleri zum Wort des Tages „dialetto“ [Dialekt] https://dizionaripiu.zanichelli.it/cultura-e-attualita/le-parole-del-giorno/parola-del-giorno/dialetto/
4 Online-Artikel zu Dialekt in den Romanen Andrea Camilleris: Jana Wizmuller-Zocco http://www.vigata.org/dialetto_camilleri/dialetto_camilleri.shtml
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